Die zehn Gebote guter Beziehungen

Vertrauen Mitarbeiter einander, arbeiten sie effektiver und sind gesünder. Doch wie baut man eine gute Beziehung zu seinen Mitarbeitern, Geschäftspartnern oder Kollegen auf? Die Neurowissenschaftlerin Friederike Fabritius hat dafür zehn Tipps.

Was glauben Sie, was das Effektivste ist, das Sie für Ihre Gesundheit tun können? Zigaretten und Alkohol meiden? Mehr Sport treiben? Weit gefehlt! Der wichtigste Faktor für ein langes Leben besteht in der Qualität unserer Beziehungen. Wer gute Beziehungen pflegt, lebt im Schnitt acht Jahre länger. Ob wir täglich zwei Packungen Zigaretten rauchen oder uns einsam fühlen, der negative Einfluss auf unsere Gesundheit ist also letztlich der gleiche. Die Zauberwaffe einer guten Beziehung nennt sich Oxytocin. Die chemische Substanz wird in sozialen Interaktionen in unserem Gehirn freigesetzt und hat eine enorme Wirkung auf unser Verhalten – auch bei der Arbeit. Würde man beispielsweise vor Verhandlungen Oxytocin über ein Nasenspray inhalieren, stiege unsere Großzügigkeit um 80 Prozent. Bevor Sie jetzt zur Apotheke eilen, lassen Sie uns doch lieber einen Blick werfen auf zehn natürliche Wege zur Erhöhung des Oxytocin-Levels.

1. Persönliche Treffen

Laut Studien bekommen Kellner mehr Trinkgeld, wenn sie Kunden beiläufig an der Schulter berühren. Das heißt nicht, dass Sie im beruflichen Kontext andere Menschen anfassen sollten, aber es zeigt uns, dass es einen Unterschied macht, ob wir jemanden persönlich oder virtuell treffen. Versuchen Sie also, zumindest zu Beginn einer Geschäftsbeziehung ein Treffen zu arrangieren.

2. Früh die Weichen stellen

Zu Beginn einer jeden Beziehung gibt es ein magisches Zeitfenster. Das Oxytocin-Level ist hoch, wir sind flexibler und änderungsbereiter. Hat sich unser Gehirn erst an Routinen gewöhnt, gibt es sie so schnell nicht auf. Stellen Sie daher frühzeitig die Weichen, denn jedes schlechte Verhalten, das Sie am Anfang tolerieren, wird später zum Standard. Beim ersten Meeting beobachten die Teilnehmer: Was passiert, wenn ich zu spät komme? Wenn das keine Konsequenzen hat, können Sie davon ausgehen, dass Ihre Mitarbeiter auch zukünftig ständig zu spät kommen werden.

3. Kompensieren Sie negative Interaktionen

Haben Sie schon mal vom »Love Lab« für Paare gehört? Der amerikanische Paartherapeut John Gottman hat über Jahrzehnte hinweg Paare in seinem Labor beobachtet und die Aufnahmen analysiert. Während sich die Paare über ein Thema mit Konfliktpotenzial unterhielten, wurden ihr Herzschlag, die Leitfähigkeit der Haut und andere Stressindikatoren gemessen. Anhand dieser Daten können Forscher nach der Beobachtung eines nur zehnminütigen Gesprächs mit über 90-prozentiger Sicherheit bestimmen, ob sie zusammenbleiben oder nicht. Wie tun sie das? Anhand des simplen mathematischen Verhältnisses fünf zu eins. Bei Streitigkeiten sind also fünf positive Verhaltensweisen notwendig, um eine negative Interaktion zu kompensieren, weil unser Gehirn negative Impulse stärker verarbeitet als positive. Für das Arbeitsumfeld heißt das: Sie müssen zwar notfalls auch Negatives kommunizieren können, sollten insgesamt aber mehr Freude als Schmerz bereiten, damit ihnen vertraut wird.

4. Relaxen

Während meiner Beratertätigkeit war ich einmal für ein riesiges Excel-Modell verantwortlich. Irgendwo darin steckte ein Fehler. Meine Chefin war außer sich. »Du musst den Fehler finden! Wenn nicht, ist der Kunde stinksauer.« Natürlich fand ich ihn nie und der Druck erzeugte bei mir nur Stress. Wenn unser Gehirn das Stresshormon Cortisol freisetzt, wird die Produktion von Oxytocin unterdrückt und Empathie, Altruismus und Konsensbereitschaft lassen nach. Fahren Sie Ihr Stresslevel also herunter. Machen Sie Sport, schlafen Sie genügend, sichern Sie sich Entscheidungsspielräume, denn mehr Selbstbestimmtheit heißt weniger Stress.

5. Für Abenteuer sorgen

Wenn wir gemeinsam Aufregendes erleben, wird im Gehirn Dopamin freigesetzt und in der Folge Oxytocin. Was heißt das für Sie? Überraschen Sie Ihre Geschäftspartner, Kollegen und Teams. Nehmen Sie sie mit auf ein Abenteuer und holen Sie sie heraus aus dem Alltagstrott, denn das stärkt Bindungen. Die klassischen Teambuilding-Aktivitäten mit Hochseilgarten oder Rennstrecke sind vielleicht ein Klischee, aber sie funktionieren tatsächlich. Wenn Sie dazu keine Lust haben, dann freuen Sie sich, wenn Sie das nächste Mal gemeinsam den Flieger verpassen oder einen aggressiven Wettbewerber bekämpfen – zumindest stärkt das die Beziehung.

6. Ehrlich sein

Woran denken Sie bei dem Namen Bill Clinton? Vermutlich an Monica Lewinsky und Bill Clintons berühmten Satz »I did not have sexual relations with that woman«. Die Geschichte zeigt, dass man jahrelang aufgebautes Vertrauen innerhalb von Sekunden zerstören kann. Daher der dringende Rat: Belügen Sie Ihre Mitarbeiter nicht. Wenn Sie schlechte Nachrichten haben, sagen Sie die Wahrheit, ohne Umschweife. Vergessen Sie das »Feedback-Sandwich« – Erfreuliches, schlechte Nachrichten, was Nettes zum Schluss –, die Menschen können mit der Wahrheit umgehen.

7. Rituale pflegen

Ich fragte einmal den Regionalchef einer internationalen Beratung, ob er mit seinen Klienten bestimmte Rituale pflegen würde. Er blickte irritiert: »Ähm … nein, eigentlich nicht.« »Und in Ihrer Familie, feiern Sie da Geburtstage mit Kuchen und Geschenken?« »Ja klar.« »Haben Sie Ihrer Frau einen Antrag mit Ring gemacht?« »Natürlich.« »Haben Sie die Hochzeit zelebriert?« »Selbstverständlich.« Später stellte sich heraus, dass er sehr wohl gewisse Rituale im Umgang mit seinen Klienten pflegte, er hatte sie nur nicht als solche wahrgenommen: mit dem einen ging er immer joggen, mit dem anderen jedes Jahr zum Oktoberfest. Rituale und Zeremonien sind deswegen wichtig, weil sie unser Oxytocin- Level steigern. Im Privatleben haben wir viele davon – im Geschäftsleben werden sie hingegen zu wenig genutzt. Schaffen Sie Rituale, denn sie helfen, Bindung zu festigen.

8. Um Hilfe bitten

Die meisten Leute versuchen, beim ersten Meeting einen guten Eindruck zu machen. Studien zeigen allerdings: Wenn Sie Kaffee verschütten, ernten Sie mehr Sympathien. Zeigen wir uns verwundbar, wird Oxytocin freigesetzt und es entstehen Bindungen. Als ich neulich einen TED-Talk aufzeichnete, nutzte ich eine klassische Technik und erzählte zu Beginn eine persönliche Anekdote. Dadurch baute ich eine Verbindung zu meinen Zuhörern auf. Tun Sie das auch: Erzählen Sie von sich, fragen Sie um Rat, erbitten Sie Feedback. Sie müssen nicht perfekt sein. Seien Sie einfach Sie selbst.

9. Gemeinsamkeiten finden

Oxytocin hilft, Beziehungen zu knüpfen. Derselbe Mechanismus begünstigt aber auch Vorurteile, Diskriminierung und Rassismus. Denn wer gute Beziehungen mit jemandem aufbaut, schließt dadurch meistens andere aus. Menschen unterscheiden gerne zwischen »wir« und »die anderen« – Politiker kennen das. Überwinden lässt sich der Mechanismus, indem wir Gemeinsamkeiten untereinander finden – seien es Autos, Mode oder Fußball. Im Team lässt sich eigentlich mit jeder Person irgendetwas finden, das man gemeinsam hat. Einige Firmen versuchen Gemeinsamkeiten gruppenübergreifend durch eine starke Firmenkultur zu vermitteln. Das funktioniert manchmal auch. Das Problem ist nur, dass viele Unternehmen dabei scheitern, weil niemand Lust auf diese ständigen Initiativen zum Thema Werte hat, die sich dann auch noch jährlich ändern.

10. Fair bleiben

Ökonomen sagen, der Mensch wolle Profit maximieren. Tatsächlich aber maximiert er Fairness. In früheren Zeiten waren soziale Netzwerke überlebensnotwendig für uns. Daraus entstand der Wunsch nach Zusammenhalt und die Angst vor Ablehnung. Mit der Zeit hat sich das Leben drastisch verändert, unser Gehirn jedoch nicht. Wird Vertrauen gebrochen und Fairness verletzt, empfindet das unser Gehirn immer noch als Bedrohung. Bei Verhandlungen ist es also von Vorteil, eine Win-win-Situation zu schaffen. Übervorteilen Sie andere, mag das Ihren Gewinn kurzfristig steigern – den größeren Gewinn aber bringt eine langfristig gute Beziehung.